Ein halbes Jahr, ist etwa 1/165 , das sind ca. 0,6% eines Lebens einer Frau, wenn man von einem Durchschnittsalter von 82,5 Jahren ausgeht. Zunächst erscheint einem das nicht sehr viel.
Aus diesem Grund und weil dieser Bericht auf dieser Grundlage aufbauende Inhalte enthält, möchte ich gerne zunächst darlegen, was während meines halbvollbrachten Einsatzes passiert ist.
In 180 Tagen kommt dann nämlich doch einiges zusammen.
Am 5. August 2015 trat ich meine Reise nach Kambodscha, mit 5 Mitfreiwillligen an. Wir schmissen über den Sommer die „summerschool“ und bekamen immer mal wieder Unterstützung von Kurzzeitfreiwilligen. Am 9. November sollte dann die Schule aufmachen. Das bedeutete für uns, einen unglaublichen Zuwachs an Kindern, Stundenpläne, Zusammenarbeit mit dem „Khmerstaff“ also kambodschanischen Lehrern, mehr Klassenräume, die es zunächst einzurichten galt, einen (Lehr-)plan und eine separierte Nursery (Kindergarten).
Diese ist heute mein Arbeitsplatz.
Nicht nur in der Arbeitswelt ist einiges passiert. Auch bei meinem neuen Zuhause in Kambodscha, das sich auf dem Schulgelände befindet, konnte ich so einige Veränderungen bemerken.
So wurde im letzen Monat das komplette Volunteerhouse renoviert bzw. gestrichen. Außerdem kommt es seit einem Monat häufiger vor, dass wir Abschied von Kurzzeitfreiwilligen nehmen müssen, die mit uns durch Dick und Dünn gegangen sind, während die Schule von uns, für die Eröffnung bereit gemacht wurde.
In meiner Freizeit bin ich oft in Phnom Penh unterwegs, ich habe aber auch schon einige Male die Zeit gefunden Kurztrips in Kambodscha und Thailand zu machen. Ich möchte an dieser Stelle nicht alle aufführen. Auf meinen Ausflug nach Bangkok möchte ich dennoch zu sprechen kommen, weil sich hier ein guter Vergleich zu Phnom Penh ziehen lässt.
Wer es gewohnt ist in Phnom Penh zu leben, findet Bangkok unsympathisch. Warum?
Bangkok hat im Gegensatz zu Phnom Penh, den Scharm einer sich entwickelnden Stadt verloren. Bangkok ist viel mehr aus allen Nähten geplatzt. Alles kann man hier gar nicht sehen, zurechtfinden ist ausgeschlossen und Tourismus und Farangs soweit das Auge reicht. Phnom Penh nimmt es da ein bisschen gelassener und hinkt Bangkok noch hinterher, was mir sympathischer ist.
Diese ereignisreiche Zeit ist nicht einfach so passiert, ohne Spuren bei mir zu hinterlassen und Veränderungen in meinem Bewusstsein zu bewirken.
Ich wage von mir behaupten zu können, dass sich mein Bild von Kambodscha in dieser Zeit geschärft hat. Dabei waren es nicht nur das Reisen in einige Ecken von Kambodscha, sondern vielmehr der tägliche Kontakt mit Khmers. Mir fällt in diesem Land neben vielen Problemen, wie Armut, der Verkehr bzw. die Infrastruktur, starke Umweltverschmutzung durch Müll und Alkoholismus, immer wieder auf, dass dieses Land wächst, sich entwickelt und gedeiht. Für mich persönlich ist es daher erstaunlich, dass ich auf, in Deutschland normale Sachen, verzichte kann und es mich nicht sonderlich stört. Ich führe ein ganz normales Leben, manchmal kommt da eben kein Wasser aus dem Hahn, manchmal muss man eben zum Müllverbrennungsplatz und das anzünden, was man so für Müll gemacht hat und dann schläft man nicht im 1,40 Bett wie zuhause sondern auf einer gemütlichen Pritsche. Dafür steht man jeden Tag mit der Sonne auf, putzt gemeinsam draußen Zähne und arbeitet mit Kindern zusammen die glücklich und dankbar sind („Thank you Teacher, for teaching us).
Was ich auf dem Seminar bemerkt habe ist, dass ich im Vergleich zu anderen Freiwilligen( zB. in Thailand) gebraucht werde und das macht mich stolz. Im Verlauf des letzten Jahres habe ich immer wieder gemerkt wie viel so ein Jahr für ein selber sein kann. Wie viel es bewirken kann, wie viele Erfahrungen man machen kann, wenn man z.B. mit Menschen aus aller Welt zusammen arbeitet. Ich habe auch gemerkt, dass man stolz ist. Stolz eine Schule gemeinsam mit anderen eröffnet zu haben und sie jetzt zu betreiben. Stolz ein bisschen Smalltalk auf Khmer zu halten. Stolz ist ein wahrlich schönes Gefühl.
Dennoch eine reine Ego-Tour ist meine Reise hier nicht. Ich werde gebraucht und ich helfe und die Menschen hier sind dankbar dafür. Auch wenn ich nicht ausgebildet bin, kann ich Kindern beibringen, wie die Farben heißen, zu zählen und wie man schwimmt. Letzteres ist grade im Gebiet in Tonle Batie (Tonle=See) sehr wichtig.
Nach meinem halben Jahr hier, habe ich mich gefragt, was mich an Seametrey überzeugt.
Natürlich ist das reine Konzept, den armen zu helfen wunderbar. Aber mich hat vor allem eine Geschichte meiner Chefin überzeugt an sie und das Projekt zu glauben. Dabei ist diese Geschichte eine kleine Hilfsaktion von vielen, aus der sich das Mosaik Seametrey zusammensetzt.
Lisa und Rathana leben zusammen mit ihrer Oma am Straßenrand auf dem Weg zur Schule. Straßenrand meine ich dabei wörtlich. Ein Paar Plastiktüten und morsche Holzplatten sollen das Zuhause von den Dreien sein. Damit sie sich ein bisschen Obst leisten können, hat Mouy (meine Chefin) die Oma, der beiden Mädels zum Unkrautziehen eingestellt. Sie hat ihnen zusätzlich ein Haus auf dem Seametrey Gelände versprochen. Auf dem Gelände hat sie auch schon vielen anderen Familien ein Zuhause, gegen einfache Arbeit geboten.
Neben all dem Positiven hier in Kambodscha gibt es natürlich auch noch ein, zwei Probleme, die aufkommen. Für diese möchte ich mir jetzt noch einmal ein wenig Zeit einräumen.
Zunächst möchte ich noch einmal feststellen, dass wenig von Allem zuhaben kein Problem darstellt. Nervig ist es ab und an trotzdem, wenn man unter der Dusche steht und kein Wasser mehr aus der Leitung kommt. Wenn dann das ganze Wochenende das Wasser ausfällt macht sich nicht nur ein komischer Geruch sondern auch komische Stimmung breit. Ein viel größeres Problem war allerdings die Anreise zum Seminar. Das Nachbarland Thailand sieht zwar aus wie ein Katzensprung entfernt. Mit Grenze und Allem hin und her hat es uns aber schon einiges an Zeit geraubt und viel abverlangt, wenn man bedenkt, dass kein Ruhetag eingeplant war. Unsere Chefin Mouy ist ein Workaholic, das ist wahrscheinlich ihr Erfolgsgeheimnis, allerdings fiel es uns zunächst daher auch schwer Urlaubstage zu bekommen. Ich arbeite von Montag bis Freitag von 8-15.30 Uhr, bis auf ein paar Ausnahmen. (Donnerstags bis 16Uhr). Einmal im Monat arbeiten alle Freiwilligen Samstag zusätzlich noch an dem Aufbau der Schule weiter mit. Das größte Problem ist allerdings eines der Grundversorgung. Wir filtern hier unser Trinkwasser selber und mussten leider feststellen, dass dieses Wasser keinem sauberen Trinkwasser entspricht. Unsere Chefin ist zu unserem bedauern nicht bereit Trinkwasser zu kaufen. Ich hab für mich selber entschlossen das nächste halbe ja kein dreckiges Wasser zu trinken, das nebenbei auch nicht sonderlich schmeckt und veranlasst, dass ich zu wenig trinke. Ich kaufe mir beim Shopp nebenan einen 20 Liter Kanister für 3500 Riel (nicht mal 1Dollar). Wenn man bedenkt, dass wir diesen Dienst auf freiwilliger Basis machen und wir selber und der Bund einiges an Geld gezahlt haben um hier zu helfen ist dies allerdings mit einem weinenden Auge zu betrachten dies selber machen zu müssen.
Das war mein Rückblick der ersten Hälfte.
Nun steht die zweite vor der Tür. Ich wünsche mir, dass es weiterhin so läuft wie bis jetzt, dass sich einige Probleme, auch im Interesse der nachfolgenden Freiwilligen, klären werden, dass mir weiter nette Ideen für den Kunstunterricht einfallen und mein Khmer besser wird. Kambodscha ist toll und ich würde gerne zurückkehren. Nicht nur um die Entwicklung einzelner Schüler zu sehen sondern auch um die Entwicklung des ganzen Landes bestaunen zukönnen.